Vortrags-Reportage: Corona - einmal Panik & zurück

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Am 16. September 2020 fanden sich zahlreiche Masken-tragende und Abstand-haltende BesucherInnen im restlos ausgebuchten Gemeindezentrum Kirchberg ein, um einer Kombination aus Vortrag und Lesung zum (nach wie vor brandaktuellen) Thema Corona beizuwohnen.

Dr. Peter Gungl teilte sich Mikrofon und Bühne mit Margit Fellner und Ursula Markovic-Weiler aus Heidi Raths Schreibwerkstatt, um den großteils wissenschaftlichen Inhalten eine menschlichere Perspektive gegenüberzustellen. Vorgetragen und vorgelesen wurde im Wechselschritt - so zog sich der “rote Faden” Covid-19 ungebrochen durch den gesamten Abend. Die vielen Facetten des Vortrags-Themas flossen mühelos ineinander und die Texte der Schreibwerkstatt-TeilnehmerInnen bereicherten das informationsdichte Event mit persönlichen Geschichten und Gedanken aus der Lockdown-Phase.

Ein Dankeschön allen Anwesenden für das vorbildliche Einhalten der Covid-Maßnahmen - so ging der erste Kirchbergvital Vortrag im Pandemie-Jahr 2020 im wahrsten Sinne reibungslos über die Bühne!

 
 

Vortrag von Dr. Peter Gungl

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"Für die Hälfte aller jetzt Lebenden ist die Corona-Pandemie mit ihren Auswirkungen das einschneidendste gesellschaftliche Ereignis ihres Lebens. Die Sorge ist groß. Es gibt viele Meinungen, oft gepaart mit wenig Ahnung. Aber ist die Angst begründet?"

Im Rahmen seines Vortrags ging Dr. Gungl dieser Frage nach - als Mediziner, als Bürger und als Betroffener. Seine Schlussfolgerung: Fürchtet euch nicht!

In seiner dezidiert un-panischen Art führte Dr. Gungl die Anwesenden durch die Covid-Timeline und präsentierte Zahlen und Statistiken in klarer, verständlicher Form. Dies hatte nicht nur den einen oder anderen “Aha!”-Moment zur Folge, sondern räumte auch mit Gerüchten, Mutmaßungen und Angstmacherei auf. Wer den Vortrag verpasst hat, kann sich hier einen Mitschnitt (dessen Smartphone-”Qualität” man uns verzeihen möge) anschauen:

Achtung: mehrere Teile! Wenn ein Teil abgespielt wurde startet der nächste automatisch.
 

Lesungen aus der Schreibwerkstatt

Heidi Raths Schreibwerkstatt - eine etablierte Kirchbergvital “Vitalreihe” - bringt jene Gedanken und Geschichten in uns zum Vorschein, die schon immer geschrieben werden wollten. Der Einstieg ins Schreiben wird mit abwechslungsreichen Themen und Impulsen erleichtert und die wertfreie Umgebung ermöglicht ein ungezwungenes Ausprobieren.
Wolltest du schon immer schreiben, fandest jedoch bis jetzt noch nicht die Zeit oder den Raum dazu? Schau’ in der Schreibwerkstatt vorbei und lass dich überraschen!

Einen Vorgeschmack konnte man sich bereits am Vortrags-Abends im Rahmen mehrerer Kurz-Lesungen holen, die pointiert und mit Herz von Margit Fellner und Ursula Markovic-Weiler vorgetragen wurden.
Die kreativen TeilnehmerInnen der Schreibwerkstatt lassen uns nun auch hier am Kirchbergvital-Blog in ihren “Corona Tagebüchern” schmökern: unten findest du mehrere im Frühling 2020 entstandene Texte, die den Alltag und das Gedankenleben der SchreiberInnen während des Lockdowns wiedergeben.

Leseprobe 1 | Gudrun

2. Tag - 17.3.2020       

C kontrolliert — in Kontakt

O optimal — der Verlauf der Kurve

V ital — unser Leben

I ntelligent — der Umgang

D auerhaft — länger als gedacht

13. Tag - 28.3.2020

Viren = ein Synonym, für Veränderung

Leseprobe 2 | Daniela

15.3.2020

Panik macht sich breit
Ich bleibe ruhig
Panik ist große Angst
Panik befällt die breite Masse

Ich bleibe ruhig
Das tut mit gut
Panik befällt die große Masse
Ich war noch nie Anhänger der Masse

Leseprobe 3 | Margit

Ausnahmesituation
Bedrückende Zeit
Dunkle Schokolade gekauft
Schokolade ausgepackt und genossen
Perspektivenwechsel

Beide sind wir eingeschlossen.
Ich im Haus und du, Schokolade, im Papier.
Ich pack dich mal aus und esse dich auf –
Dann bist du in mir und ich im Haus und dann ist gleich irgendwie „aufgeräumter“.

Leseprobe 4 | Helga

Jetzt – mein neues Zuhause in Zeiten der Krise.
Stille, eine Stille zum Genießen.
Azurblau der Himmel, sauberer könnte er nicht sein.
Die Natur atmet auf, erholt sich von uns…
Unsere Wiesen erwachen in leuchtendem Grün.
Der Duft erster Frühlingsboten wetteifert mit dicker Landluft.
Ein Erwachen zum Anfassen, ein Erwachen mit allen Sinnen.
Ich genieße die vielen Kleinigkeiten, die das Leben lebenswert erscheinen lassen.
Ein neuer Spürsinn umgibt mein Bewusstsein.

KREATIVITÄT einmal anders.
Der Entwurf ist ganz einfach: Stoff, bunt, Naturmaterial.
Ein Quadrat 19 x 19 cm , in drei Falten gelegt, zwei Stück davon zusammengesteppt.
Gummiband mitnähen, umdrehen, glattbügeln, fertig!
Maske um die Ohren hängen und schon dürfen wie soviel Covidluft einatmen, wie sie wollen.
Design by Helga M. Petz

Leseprobe 5 | Anneliese

Vertrautes verschwindet hinter dem Nebel des Ungewohnten
Lässt Konturen erkennen
Es ist Zeit Neues zu formen/denken
Um es mit Vertrautem wieder zu füllen.

Leseprobe 6 | Ursula

1. März 2020

Keine Nähe. Ausgeschlossen und doch eingebunden. Schreiben aus Zeitvertreib, um vielleicht eine Verbundenheit sichtbar zu machen.
Verbundenheit. Verbindlich. Bindend. Gebunden. Eingebunden im sozialen Netzwerk der Menschlichkeit. Sich finden in einer Basis der gleichen Interessen. Des gegenseitigen Ermunterns und der gemeinsamen Erlebnisse. Ein Austausch von Geschehnissen, die einen berührt haben. Sich seiner Lebendigkeit bewusst werden. Sich im anderen finden, um gefunden zu werden. Doch muss nicht ich mich zuerst finden? Das Labyrinth der Geschehnisse durchforsten, um nicht schnell eine festgefahrene Meinung zu treffen, die schnell Irrtümern unterliegen. Frei sein, um jede Begegnung als Gewinn sehen zu können. Utopie, aber man darf doch träumen.

Leseprobe 7 | Margit

I geh durch mein Gortn

I geh durch mein Gortn
Obend is - da Rosn is gmaht
I geh durch mein Gortn
Schneckn kennt i klaubn
Oba da miast i mi buckn
Und dann kriag i wida Kreizweh
Und heit is ma eh weh
I konn´s gor net sogn wos weh is. 
I bin weh. So a bissl weh überall. 
Weh bis in´d Söl.
I geh durch mein Gortn
Und mechat des Weh verlirn
I mechats owehbeutln, ausstrahn.
Hoffentlich dats net woxn. 
I glaub i wüll kann Weh-Bam in mein Gortn.
Wia der wohl ausschaun dat – der Wehbam?

Er war sicha buglat und die Schneckn dedn eam megn. Die hängatn an jedem dritten Blattl. Oba sie datn de Blattln nie gonz ofressn. Nur Lecha warn in de Blattln, zwa, drei Lecha. Und de Rindn von dem Wehbam het Risse, vüle, tiafe Risse und do det des Harz ausserinnan und de Aumeisen deten pickn bleibn, wons auf´n Bam aufekreun.

I geh durch mein Gortn - zum Misthaufn
Und net buglat, sondern grad, und i schau vire
Weu des was woar, des konnst eh nimma ändern
Und de Schneckn soin heit leben
Woans murgen gressa san, is mei Erfolgserlebnis a gresser.
I geh durch mein Gortn
Und i gfrei mi, dass mei Mon den Gortn gmaht hot
Und das er mi überredt hot, dass i de Bam a bissl stutz
Weil sunst het i heit wiada buglat umschleichn miaßn

Oba i mogs holt waun´d Bam so longe Äst hom, daß i`s gspia waun i vurbeigeh. Waun i de Äpfel und de Birn und de Kirschen im Steh brockn kau und net auf da Latta balanziern muaß. I waß, dass fia eam klasser is, waun er mi´n Mähtraktor unter de Bam durchfohren mog - oba schena is waun d´Bam die Äst hängan lossen. Und i hobs a immer so gschnittn. Freili sans donn durch des Gwicht von de Äpfl no weida obaghängt im Summer.

I geh durch mein Gortn
Vurbai am Opfbam mit da Schaukel. 
De is net fia mi, sondern fia mei Enkerl. Oba waun der net do is, do kennt jo i schaukeln. 
Des muas i jetzt öfta übn. Waunst ölter bist, wiad´da leicht schlecht beim Schaukeln. 
Waun ma schlecht wurd - dad i´s Weh aussespeibn? 
I geh durch mein Gortn

Und da Duft vo mein Geißblattl waht umma. I wollt imma an duftenden Gortn hom. Heia im Frühling hob i amoi so richtig aufpasst: ois erstes wor der Goldlack, de Primln, nochan de Mahonie und donn de Sülbaweidn, späta da Flieder, de Pfingstrosn, de Rosn und jetza des Geisblattl und da Sommerflieda

I geh durch mein Gortn und schnupf am Geisblattl.

I geh vurbei am Hochbeet, zum Strondkorb, vurbei am Kriacherlbam, uman Birnbam umadum, i geh zruck zur Lindn und durch´n Rosenbogen, ich geh zu unsan Voglhaus in dem niemand wohnt außer a poar Käfer und Fliagn. Oba waun i a Vogl war, donn war i do einzogn. Des Vogel-Haus hot via Stockwerk und i tat des Einflugloch zur Nochbarin ihrn Obstgortn nemman. 

I geh durch mein Gortn und a Lindnzweigal streicht ma durch´d Hoar.

I geh durch mein Gortn und kum zua Hooywood-Schaukel. Mei Opa hot da Oma a a Hollywood-Schaukl baut. Er hot´s gschwaßt. Weiß woars und a Stoffdachl hots ghobt und am Stoff woarn große rote Bluman. Mei Hollywood-Schaukel is aus Holz und Stoff gibt´s kan, weus bei uns sovül regnt und donn war der Stoff bold schiach. I hob an Weistock von meina Tochta gerbt und der mocht jetzt´n Schottn und es Regndachl fiar mein Hollywood-Schaukel. Do üb i fiars Schaukln im Opfbam.

I geh´durch mein Gortn.
I schlupf durch die Ligusterbuschn und rutsch auf ana Schneckn aus.
Oba murgn bist draun.

Sche longsom wiad ma kolt. Oba irgendwia is ma a leichta. Mei Weh liegt jetzt hoffentli am Misthaufn und net in da Wiesn. De Würm und di Schneckn wean´s veroabeitn. Bin gsponnt wos do aussekummt.

I nimm no a Prise Gortnduft und schleich mi ins Haus.

Leseprobe 8 | Ursula

Virus Angst Einsamkeit Stillstand Lösung

Sich verlieren
in den viren
einsamkeit droht
überall ein Verbot

die angst im nacken
ein in sich sacken
nichts mehr geht
stillstand besteht

unsicherheit nimmt platzt
es ist wie eine hatz
vieles ist nicht nachzuvollziehen
wie in dagewesenen kriegen

doch es geht weiter
dir natur nimmst heiter
es sprießt und gedeiht
sie ist stets bereit

braucht den menschen nicht
hat lösungen immer in sicht
sie ist in sich ausgewogen
hat noch nie belogen

Margit Fellner, Ursula Markovic-Weiler und Heidi Rath ließen uns auch noch einen kleinen Blick hinter die Kulissen ihrer Proben werfen - wenn das nicht Lust (oder vielmehr Hunger) aufs Schreiben macht, dann wissen wir auch nicht weiter ;)

Ein herzliches “Dankeschön” für den informativen und innovativen Abend gilt Dr. Peter Gungl, Heidi Rath, Margit Fellner, Ursula Markovic-Weiler, unseren OrganisatorInnen und helfenden Händen sowie unserem Sponsor Uniqa.